Asphalt - Ein Fall für Julia Wagner von Axel Hollmann
Dudenerklärung für tough
⟨[tʌ̣f] Adj.; umg.⟩
hart, streng, tüchtig, selbstsicher, bestimmt; oV taff; robust; nicht empfindlich; durchsetzungsfähig
Das Cover des Buches ist der Hammer. Die roten Reifenspuren auf dem weißen Titel sind das Tüpfelchen auf dem i. Der Klappentext macht mit seinen sorgsam verteilten Schlagworten neugierig.
Eine toughe Frau? Immer her damit. Davon gibt es m. E. viel zu wenige in Romanen.
Wieso allerdings eine Frau als tough bezeichnet wird, die so einfallslos war, sich mit einem verheirateten Kollegen einzulassen und deswegen auch noch ihren Traumjob aufgibt, ist mir unerklärlich.
Im Roman selbst erschließt sich mir die Figur der Julia Wagner leider auch nicht. Ja, sie macht Aikido und fährt Motorrad. Aber ihren Verstand scheint sie genauso oft zu benutzen wie einen Lippenstift. Keine Frau würde es wagen, mit der eigenen Maschine (!) vor einem Rockerclub vorzufahren. Sie käme beim ersten Mal ohne Begleitung oder zumindest eine Empfehlung überhaupt nicht hinein. Aber Julia Wagner marschiert ins Folkwang, als hätte sie noch nie davon gehört, dass Rocker gefährlich werden können, zumal wenn sie in ihrem eigenen Revier attackiert werden. Aber Julia Wagner darf ruhig sorglos sein, denn: Wenn Julia denkt es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Wittmann her. (S.66 Thomas Bauer, S.130 Folkwang, S.331 Südhafen). Oder alternativ die Polizei (S.182 Schrottplatz, S.202 Videothek Karl Richter)
Der Roman ist brillant recherchiert (wer weiß schon, wofür die Colours auf den Clubjacken stehen? Das der Dietrich heute Pic heißt?). Der Plot ist gut strukturiert und hat einige spannende Wendungen. Am besten gefällt mir, SPOILERALARM, dass der Bösewicht auch bis zum Schluss der Böse bleibt und nicht mit einem kitschigen Dreh noch irgendein Liebestwist daraus wird. Das ist tough!
Deshalb sind die für mich offensichtlichen Logiklücken umso bedauerlicher.
S.4 unten: ... mein Freund legte eine dramatische Pause ein. S.5: ... auf nichts ernsthaftes einlassen ... (Er ist nicht ihr Freund)
S.165: Frank hat Bedenken, weil es ein Einbruch ist? Er hat die Riders beklaut!
S.182: Julia will wegen Rundt zurück zum Schrottplatz? Sie hat keine Chance.
S.224: Julia greift Odin körperlich an, der vor ihrem Haus wartet - Schwachsinn.
S.308: Diskussion, ob Frank zurückbleiben soll, obwohl das Haus lichterloh brennt?(Wenn es brennt, dann rennt man und diskutiert nicht.)
S.370: Riders of Ragnarök nehmen Frank das Geld nicht ab - wie bitte? Nur deshalb sind sie da.
Ein gutes Lektorat hätte diese leicht ausmerzbaren Logiklücken entdecken müssen. Leider hat es auch noch anderweitig geschlafen. Nicht nur, dass an einigen Stellen Buchstaben fehlen, auch die seltsame Satzstellung (ein Satz, der frei herumsteht, obwohl er an das Ende des letzten Absatzes gehört) und die Überbetonungen und Widersprüche wurden nicht korrigiert.
S.21: Im Sommer war es wie in den Tropen - schwül und heiß -,
S.71: ... die Cornflakesschachte war voller Scheine gewesen. Die Riders hatten gefunden, was sie ... gesucht hatten. Geld.
S.77: ... als ich nach dem Zigarettenanzünder griff, um mir eine Zigarette anzustecken.
S.125: Auf einem vergilbten Zettel stand Zutritt nur für Mittglieder. Mitglieder mit zwei t.
S.152: Ich war schwer beladen. (Satz ist überflüssig, denn es folgt eine ausführliche Schilderung, womit.)
S.289: Mit einem der Motorradrocker sollte ich fertig werden. S.295: Hau ab, Julia. Wenn das der Typ mit der Harley ist, bist du geliefert. (Wird sie nun mit einem Rocker fertig oder nicht?)
Die spannendste Schilderung war für mich die Szene, in der Julia Wagner mit dem Motorrad Pierre Neuville abhängt. Nur Action und keine überflüssigen Dialoge, die den Lesefluss behindern. Sie zeigt, dass Axel Hollmann das Talent hat, ausgezeichnete Thriller zu schreiben.
02.12.2017
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