Namensfindung, Brainstorming, Clustern, die praktische Plott-Checkliste habe ich mehr oder weniger gekonnt abgearbeitet. Was mir noch fehlt ist, einen Stammbaum zu erstellen, um die Figuren in Beziehung zueinander zu setzen. Das hilft mir, den Überblick über die Protagonisten zu behalten und nicht aus Versehen zwei Figuren, die eigentlich als Geschwister angelegt waren, miteinander zu verheiraten. Es sei denn, ich will es so, weil es der Geschichte dienlich ist.
Ein Stammbaum hilft mir auch, Übersicht über die Zeit zu behalten.
Wer hat wann wo gelebt?
Wer ist schon tot und kann nur in der Vergangenheitsform beschrieben werden?
Wer ist älter, wer jünger, passen die Zeitalter zueinander?
Kleidung, Habitus, Benehmen, Umgebung, alles muss der entsprechenden Zeit, aus der die Figur stammt, angepasst werden. Ein Viktorianer kann nicht mit einem Handy telefonieren (es sei denn, es ist beabsichtigt, aber bei der Erstellung des Zeitstrahls wird einem auch so etwas klar).
Während ich den Stammbaum erstelle, wird mir ebenfalls viel klarer, in welcher Beziehung die Figuren zueinander stehen. Wenn schon die Urgroßeltern aus der schwarzen Zeit miteinander im Clinch lagen, ist es relativ unwahrscheinlich, dass ihre Enkel beste Buddies sind, es sei denn, ich lasse mir was dolles einfallen, damit es doch so ist. Und schwupps, ist mein Roman um eine interessante Geschichte reicher.
Während ich die Familienchronik für Anuka erstelle, fällt mir auf, dass ich für alle anderen Figuren ebenfalls eine basteln sollte, denn auch die Nebenfiguren schweben nicht durch die Geschichte, ohne Verbindung zu derselben zu haben. Das heißt nicht, dass ich jetzt für jeden Metzger und Waffenschmied einen Stammbaum erstellen sollte, aber für die meisten Figuren schon.
Ich werkel weiter an der Ahnentafel und schon fallen mir wieder einige Schwachstellen auf, die ich so von Anfang an ausmerzen kann. Tief betrübt stelle ich fest, dass ich das Happy End für zwei meiner Figuren leider unter den Tisch fallen muss, da es die Geschichte erfordert, dass sie enger verwandt sind als es für so eine Aktion schicklich ist. Ich schreibe schließlich keine griechische Tragödie. Aber es wäre so schöööööön! Ich versuche mit aller Gewalt, meinen Figuren doch noch zu einem glücklichen Ende zu verhelfen, aber es passt hinten und vorne nicht. Schluchz. Wenn mir das gegen Ende des Romans passiert wäre, hätte ich entweder alles umschreiben müssen oder ein ziemlich krudes Ende gehabt.
Gleichzeitig fällt mir eine Superlösung ein, mit der ich die Vergangenheit erzählen kann, ohne langweilig oder, noch schlimmer, belehrend zu wirken. Die kleine Anuka bekommt Märchen von ihrer Mutter erzählt! Jippieh, Supersache. Danke, liebes Hirn.
Mein Stammbaum ist das hässlichste beschriebene Stück Papier, das auf meinem Schreibtisch liegt. Sobald ich Zeit habe, werde ich es etwas schöner gestalten. Ach ja, wie wäre es, wenn ich es wunderschön gestalte und in das Buch mit hinein nehme, um dem Leser die Chronologie zu erleichtern?
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